„Christus hat euch geliebt und sich selbst dargegeben für uns als Gabe und Opfer.“ (Eph. 5,2)
In der Passionszeit steht das Kreuz Jesu im Blick. Es ist das äußerste Zeichen und die radikalste Konsequenz dessen, dass Gott in Jesus ganz für uns Mensch geworden ist. Seine Liebe führt ihn an diesen Ort des extremen Leidens und des qualvollen Todes. Im Philipperbrief (2,7f.)heißt es- «Er entäußerte sich, er wurde wie ein Knecht, ... er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod». Es ist sein Opfer für uns: Ein so entsetzlicher Tod, dass dieser für jüdisches Empfinden das eindeutige Zeichen dafür war, dass ein so zu Tode Gebrachter von Gott selbst verflucht sein muss. «Von Gott verflucht ist jeder, der am Pfahl hängt», heißt es im Buch 5.Buch Mose (21,23). Eine Stelle, die Paulus im Galaterbrief Kap. 3 aufgreift, um zu verdeutlichen, dass Jesus den Fluch, der unserer Sünde gilt am Kreuz auf sich genommen hat. Es heißt auch: Verrat, Verleugnung, Hohn, Spott, Verachtung und Hass zu ertragen. Im Mittelpunkt des Kreuzes kommt so alle Bosheit und alle Schuld der Welt zusammen. Jesus nimmt sie auf sich und macht diese in ihrer zerstörenden Macht offenbar.
Jeder, der aufs Kreuz blickt, kann erkennen: So steht es mit der Welt, so ist sie in ihrer eigenen Sünde verstrickt, dass sie den einzigen Schuldlosen, den, der nur geliebt hat und ganz für andere da war, Gottes Sohn, auf grausamste Weise exekutiert hat. Jesus stirbt nackt und allein. Die Jünger sind aus Angst weggelaufen. Alle Hoffnung scheinbar erloschen. Hat das Böse wirklich gesiegt?
Wir kennen solche verzweifelten Fragen aus unserem Leben. Es sind die Nullpunkte, die uns ratlos machen, wo alles Scheitern, alle Ohnmacht und Vergeblichkeit scheinbar stärker ist als Glauben und Vertrauen.
Im Kreuz können wir diese Nullpunkte unseres Lebens erkennen, wenn nichts mehr geht und alles am Ende zu sein scheint und vergeblich, wenn nur noch Ohnmacht ist und keine Hoffnung mehr.
Gott schenkt in diesen äußerste Abgrund das Unbegreifliche: Seine unfassbare Liebe, die dem Leiden und dem Tod nicht ausweicht. Sie steht für die tiefe Verbundenheit Gottes zu uns Menschen, die durch das Böse und Schlimme hindurch führt. Er ist ein mitleidender Gott, der uns nicht allein lässt, sondern sich in diese Welt hingegeben hat, damit eben die Sünde und der Tod nicht am Ende triumphieren.
Jesus widersteht der Gewalt und Sünder der Welt, die er am Kreuz erträgt nicht durch einen Akt der Gegengewalt, nicht durch eine Aktion seiner Allmacht, sondern durch die Passion seiner ohnmächtigen Liebe. Sie durchbricht den Kreislauf der Gewalt, des Bösen, des Vergelten und Strafen durch seine Liebe. Es geht also beim Blick auf das Kreuz um die tiefe Erkenntnis, dass Liebe nie ohne Leiden möglich ist, weil sie verletzbar macht und sich öffnet für den anderen, seine Not sieht und mitträgt. Es geht um Opfer.
Nur wer nichts an sich heranlässt, wird auch davon nicht berührt werden, bleibt innerlich leer, ohne Emotionen und Empathie. Gott selbst macht sich aber verletzlich für uns, weil wir ihm nicht gleichgültig sind. Das Kreuz wird zum Zeichen seiner hingebenden Liebe. Sie möchte uns verändern und befreien. Über diesem steht immer schon die Verheißung der Freiheit der Kinder Gottes wie Paulus schreibt (Röm 8,21).
Gott hat das Kreuz mitten in diese Welt hineingestellt - genau dort, wo wir nicht mehr weiterkommen und glauben, eigentlich nichts mehr in dieser gottlosen Welt ausrichten zu können; genau dort, wo wir meinen, dass andere Mächte stärker sind.
„Macht mit mir, was ihr wollt,“ hat einmal der der Pastor Martin Luther King kurz vor seinem Tod gesagt, „ich werde euch trotzdem lieben.“
Gott richtet das Zeichen seiner Barmherzigkeit und Liebe auf: In Jesus Christus breitet er seine Arme aus, um den Fluch zum Segen zu machen.
"Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung." 2.Kor 5,19
Amen.
