
Kantorei Geschichte
Die Kantorei
Die Kantorei wurde im Jahre 1653 nach dem 30-jährigen Krieg neu gegründet und ist die älteste Chorvereinigung Crimmitschaus. Hauptaufgabe war und ist die Ausgestaltung von Gottesdiensten, das Singen zu Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen. In späteren Jahren kamen noch große oratorische Kirchenkonzerte dazu. In der Anfangszeit bestand die Kantorei nur aus Männern: Adjuvanten (aktive) und Legatisten (passive Mitglieder). Frauen borgte man sich je nach Anlass dazu. Glücklicherweise hat sich die Gründungsurkunde vom 30.1.1653 erhalten. Sie beginnt mit der Bitte, „…dass durch stete Uebung unsere Kantorei florire und in gutes Aufnehmen kommen möchte.“ Im 17. Jahrhundert gab es sogar ein eigenes Orchester, das die Kantorei bei ihren Auftritten begleitete. 1697 zählt die Kantorei 20 Mitglieder, Ende des 18. Jahrhunderts treten neben dem Bürgermeister die angesehensten Bürger der Stadt ein und verhelfen dem Chor zu einer Blütezeit. Die vielen Handschriften im Notenarchiv aus dieser Zeit zeugen noch heute davon. Viele zeitgenössische Werke von Homilius, Haydn, Weinlig, Doles u.a. wurden mit Orchester in der Laurentiuskirche aufgeführt. Mitte des 19 Jahrhunderts aber liegt vieles darnieder, die Kantorei ist sehr geschrumpft. Kantor Wilfert beginnt sehr erfolgreich mit dem Neuaufbau und knüpft an alte Zeiten an. 1887 folgt Kantor Henßge und eine neue Statutensammlung. Noch immer ist von Adjuvanten und Legatisten die Rede. Außerdem sorgen die Statuten für Recht und Ordnung mit Paragraphen, wie diesen: „Jedes Mitglied ist verpflichtet, außerhalb wie innerhalb der Gesellschaft sich jedes verletzenden Urteils über die Leistungen einzelner Mitglieder zu enthalten.“ Wer „den Anordnungen des Kantors nicht die gebührende Folge leistet“, wird ausgeschlossen.
1903, zum 250-jährigen Jubiläum, wird ein neuer Notenschrank gestiftet, der heute noch existiert. Im Jahre 1909 findet sich der früheste Beleg für eine oratorische Aufführung: „Die Passion“ von Seitz. Damit beginnt eine bis heute anhaltende Tradition, neben den Gottesdiensten auch ein bis drei Mal pro Jahr ein größeres Kirchenkonzert zu veranstalten.
Als Kantor Michel 1920 den Dienst übernahm, erfolgte am 8. Oktober eine konstituierende Probe des neuen „Laurentiuskirchenchores“, in dem nun auch rein formal Frauen zugelassen waren. Die Veranstaltung fand im Übrigen im Café Andrä statt. Es nahmen 34 Frauen und 12 Männer teil. Wieder begann eine Blütezeit für die Kantorei. Neben großen Aufführung (Mendelssohns 42. Psalm 1921, „Paulus“ 1924 oder „Elias“ 1929 und andere, auch zeitgenössische Werke u.a. von Paul Gläser), standen auch Eigenkompositionen Kantor Michels auf dem Plan – wie das Oratorium „Dein Reich komme“ 1933. Außerdem fanden in den zwanziger Jahren das erste Mal Sängerfahrten statt, zum Beispiel nach Lößnitz, ins Schwarzatal oder nach Naumburg. Auch heute gibt es in der Regel aller zwei Jahre einen Kantoreiausflug, so konnte Meißen, Freiberg, Naumburg und Merseburg in den letzten Jahren besucht werden, verbunden immer mit der Ausgestaltung des Gottesdienstes im jeweiligen Dom, gemeinsamem Essen und kulturellen Angeboten.
Auch in den Jahren der Wirtschaftskrise und den Vorkriegs- und Kriegsjahren blieb die Kantorei weiterhin singfähig, obgleich die oratorischen Aufführungen vorübergehend eingestellt werden mussten. 1949 wurde erneut der Paulus aufgeführt und mit dem Wechsel im Kantorat zu Edgar Thomaschke wird auch die Barockmusik wieder verstärkt gepflegt (1959 „Messias“ von Händel, 1696 „Matthäuspassion“ von Bach. Außerdem etabliert sich die Aufführung der ersten drei Teile von Bachs Weihnachtsoratoriums ab 1964 in unregelmäßigen Abständen. 1960 und 1970 erklingt sogar das „Deutsche Requiem“ von Johannes Brahms in der Laurentiuskirche. In den 80er Jahren bestritt die Kantorei vor allem das Kerngeschäft: die Ausgestaltung von Gottesdiensten. 1985 führte Kantor Brückner die ersten vier Kantaten des Weihnachtsoratoriums auf. Mit Beginn der Amtszeit von Kantor Matthias Schubert 1995 erfolgte die Vereinigung der Kantorei St. Laurentius mit der der Lutherkirche. Damit beginnt eine neue Blütezeit: Kantatenaufführungen im Gottesdienst, vornehmlich mit Werken Johann Sebastian Bachs, darüber hinaus Ausgestaltung von Gottesdiensten aller Art mit einem großen stilistischen Repertoire von Renaissance bis Pop und die Aufführung großer Oratorien, auch in Zusammenarbeit mit anderen Kantoreien (Auerbach, Zwickau Marienthal, Lichtenstein, Hohenstein-Ernstthal, Annaberg) prägen das Bild des Chores in der heutigen Zeit. Höhepunkte der letzten waren zweifelsohne der „Messias“ 2003, die „Johannespassion“ 2009, das „Mozart-Requiem“ 2014, die „Matthäuspassion“ 2017, der „Elias“ 2018 oder das „Gloria“ des zeitgenössischen Komponisten John Rutter 2019. Im Jahre 2021 vereinigten sich die Kantorei St. Laurentius/Luther mit der der Johanniskirche, sodass der Chor heute um die 50 Mitglieder zählt. Selbst in den schwierigen Corona-Jahren konnten Bachkantaten im Gottesdienst mit der Kantorei gesungen werden. Wollen wir hoffen und beten, dass Gottes Segen auch weiterhin auf unserer Arbeit bleibt!
Kantoreischmaus
Wer gut singt, kann auch gut feiern, so denkt man: früher gab es zwei Mal jährlich einen „Kantoreischmaus“ Im Archiv finden sich verschiedene Rechnungen, die aufhorchen lassen: im November 1786 verbrauchten 20 Leute in 2 Tagen 30 Pfund Rindfleisch, 42 Pf. Schweinefleisch, 24 Pf. Schöpsenfleisch, 12 Pf. Würste, 4 Gänse, 2 Stein Karpfen, 16 Kannen Branntwein, 4 Streukuchen, dazu Butter, Käse, Brot, Kaffee, Milch, Zucker. Sicherlich wird der ein oder andere Zaungast auch etwas abbekommen haben. Auch heute noch feiern wir zwei Mal im Jahr, wenn gleich mit bescheidenerer Verköstigung.
Kurioses
In vergangenen Jahrhunderten war das Singen oft mit gemeinsamem Essen und Trinken verbunden. Dass dies manchmal in recht ausschweifender Weise geschah, vermittelt uns der Satz in der Gründungsurkunde von 1653: „Es soll aller Überfluss im Essen und Trinken vermieden werden“, oder „zum Trunke soll niemand genötigt werden“. In einer weiteren Kantoreiordnung von 1686 lesen wir: „Es sollen sich Unmusikalische und stimmlich Unbegabte nicht auf den Chor stellen und den guten Sängern die Plätze wegnehmen.“ Außerdem: „Alles Fluchen, Zanken und Zwietrachtsäen sollen unterbleiben, Belästigungen durch Tabakrauchen und Trunkenheit sind zu bestrafen, Widersetzlichkeit gegen den Kantor mit sofortigem Ausschluss zu ahnden […] Jeder hat seine zerbrochenen Gläser selbst zu bezahlen.“